LEIB ODER LEBEN
14. Internationales Seminar für
körperbezogene Psychotherapie, Körpertherapie
und Körperkunst
BAD GLEICHENBERG, 27.April bis 2.Mai 2008
Rhythmus und Resonanz

 


Rhythmus und Resonanz > Editorial

Rhythmus und Resonanz

Editorial

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Ich bin eine Saite,
über rauschende
breite Resonanzen
gespannt.“
Rainer Maria Rilke

Unser gesellschaftliches Leben verläuft nur noch selten im Einklang mit unseren angeborenen, biologischen Rhythmen. Unsere Biologie steht ehrgeizigen Anforderungen der Leistungsgesellschaft scheinbar im Wege.

Die Zyklen von Ruhe und Erholung haben sich häufig verschoben. In den letzten 100 Jahren hat sich die durchschnittliche Schlafdauer der Menschen in den Industrieländern um ein Fünftel verkürzt. Etwa ein Viertel der Bürger ist dementsprechend unausgeschlafen. Veränderte psychosoziale Tag-Nachtrhythmen lassen die Zahl von Fehlern und Unfällen, kardiovaskulären Störungen und Stoffwechselentgleisungen, Lern- und Gedächtnisproblemen, Ängsten und Depressionen ansteigen.

Vergangene Heilkulturen haben „Organuhren“ postuliert. In der Gesundheitshygiene der Griechen war „das rechte Maß“ an Aktivität und Ruhe ein zentrales Primat. Chronobiologische Forschungen finden heute „Uhren-Gene“ die als biologische Regulatoren fungieren. Jede Zelle hat Schwingungsmuster, Oszillationen und Schrittmacher. Organische Zeitgeber („organ clocks“) regeln die Abfolge des Stoffwechsels im Abgleich und Austausch mit der Umwelt. Rhythmen von ganz unterschiedlicher Dauer interagieren und regulieren sich.

Frühe Bewegungen werden zuerst vom Gleichgewichtsorgan als das Schwanken und Drehen, Taumeln und Tanzen des wachsenden Organismus registriert. Gleichgewichte versuchen sich immer wieder neu zu regulieren. Häufig sich wiederholende Bewegungen ordnen sich zu rhythmischen Mustern, Erinnerungen und Erwartungen.

Rhythmen sind sich regelhaft wiederholende, ordnende Prozesse. Sie gehorchen einer inneren Logik. Bekannte Beispiele sind Herzschlag, Atemrhythmus, Wechsel von Tag und Nacht und die Jahreszeiten. Als Melodie des Lebens sind Rhythmen elastisch und flexibel, haben fast paradoxe Qualitäten: „Unstetigkeit im Stetigen, regelmäßige Unregelmäßigkeit“ ?(H. Plessner).

Menschliche Organismen sind schwingende Resonanzkörper: Mitschwingen, Widerhall und Echo vermitteln Zusammenhang und Ganzheit. Wenn schwingende Systeme sich annähern, mit-einander in Resonanz treten, dann entwickelt sich wechselseitiges Einschwingen. Es entstehen neue, gemeinsame Rhythmen. Bei entsprechender Resonanzbereitschaft und gleicher Wellenlänge finden sympathische Schwingungen Anklang und laden zum Mitschwingen ein. Im umgekehrten Fall entwickeln sich möglicherweise Dissonanzen, Missklänge, Arrhythmien und Disharmonien. Wenn diese lange anhalten, dann entwickeln sich Störungen.

Die neurobiologische Entdeckung von Spiegelneuronen lässt vermuten, dass Imitationslernen und Einfühlungsvermögen neuronale Resonanzen bewirken. Auch in therapeutischen Beziehungen gibt es rhythmische Prozesse, ?Resonanzen und Synchronisationen. Körper- und leiborientierte Methoden nutzen die Sensi-bilität der Wahrnehmung von biologischen Rhythmen. Achtsamkeit für Rhythmus und Resonanz erlaubt mehr im Moment zu sein. Harmonisierung von Rhythmen und Resonanzen können Selbstheilungspotentiale des Organismus stärken.

Das diesjährige Seminar Leib oder Leben bietet Gelegenheit Stimme und Stimmungen zu erkunden und Resonanzen zu finden. Stille, Atmung, Meditation, Musik, Ausdruck, Lachen, Gähnen, Jodeln, Bewegung, Tanz und Kampfkünste bilden die leibliche Basis für gemeinsame Reflexionen.

Prof. Dr. Helmut Milz



   

 

 

 

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