LEIB ODER LEBEN
15. Internationales Seminar für
körperbezogene Psychotherapie, Körpertherapie
und Körperkunst
BAD GLEICHENBERG, 26.April bis 1.Mai 2009
Im Spiel

 


Im Spiel > Editorial

 

„Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler “ (W. Shakespeare)
„Als Selbstdarsteller spielen wir alle täglich Theater“ (E. Goffman)

Editorial

 

 

 

 

 

Psychotherapie ist ein ernsthaftes Geschehen, welches auf Wissen und (Selbst)Erfahrung, Einfühlungsvermögen und Klarheit, Theorien, Konzepten und Techniken beruht.
TherapeutInnen können ihren PatientInnen am besten helfen, wenn sie sich auch selbst wohl fühlen. Bei gegenseitigem Respekt kann in der Therapie auch gelacht werden und auch Alltägliches ausgetauscht werden. Es ist menschlich sich zu strecken, zu dehnen oder zu gähnen, sowie in verschiedene Masken und Rollen zu schlüpfen. Therapie hat Gemeinsamkeiten mit Bühne, Theater, Ritual und Spiel.

Welche Faktoren und Umstände sind bei einer Therapie „Im Spiel“? Was spielt sich da ab? Wie sind die Regeln? Was steht auf dem Spiel? Wie hoch ist der Einsatz? Wie sind die Gewinnchancen? Wie können sich die Partner einer therapeutischen Begegnung „die Bälle“ gegenseitig so zuspielen, dass aus anfänglichen „Gegnern“ ( therapeutische Begegnung) schließlich ein erfolgreiches „Team“ (therapeutische Beziehung) wird? Wie entsteht Spielraum zur Erprobung von Möglichkeiten? Welcher Ausdruck schafft welchen Eindruck? Mit welchen Masken, Verkleidungen oder Vermummungen wird gespielt? Welche Manöver werden versucht? Welche überraschenden Bewegungen, Gesten, Mimiken spielen mit? Was könnten diese erläutern, erklären, vertuschen, vortäuschen, unterdrücken oder verwirren? Was ist echt und was ist Fassade? Wer ist Mitspieler, Falschspieler oder Spielverderber?

Wieviel Spiel hat die Umwelt für die kindliche Entwicklung eines Menschen ermöglicht? Wie sehr ist jemand von inneren Bildern des Gewinners oder Verlierers gezeichnet?
Der Kulturwissenschaftler J. Huizinga hat den spielenden Menschen (homo ludens) neben den Menschen als Denker (homo sapiens) und Tätigen (homo faber) gestellt. Er geht davon aus, dass alle menschliche Kultur „im Spiel“ entstanden ist. Er schrieb: “Wir spielen und wissen, dass wir spielen, also sind wir mehr als nur vernünftige Wesen, denn das Spiel ist unvernünftig“. Spiel ist mehr und anders als die Delegation von Entspannung und Entlastung vom ernsthaften Leben an die Freizeit. Auch die „erhabensten Handlungen“ können Spielcharakter haben. Ein Spiel verläuft in bestimmten Grenzen, nach freiwillig angenommenen, aber bindenden Regeln. Es unterscheidet sich als zeitlich begrenztes, bewusstes Anderssein vom gewöhnlichen Leben.
Psychotherapie ist eine freiwillige, absichtliche, örtlich und zeitlich begrenzte, kulturell geprägte und geregelte Beziehung, mit dem Ziel eines heilsamen, zwischenmenschlichen Austauschs. Die beteiligten Personen interagieren in Rollen von TherapeutIn und PatientIn. Dabei handeln TherapeutInnen im Auftrag der sozialen Gemeinschaft, welche sie ausbildet und dazu berechtigt. Ihre Aufgabe ist es, so mit PatientInnen zu arbeiten, dass deren Lebensweg positiv beeinflusst wird. Psychotherapie ist eine emotional besetzte Beziehungsform, wobei PatientInnen von der begründeten Hoffnung ausgehen, dass die TherapeutInnen planvoll helfen eine plausible Erklärung ihrer Probleme und Leiden zu finden, um diese in der heilsamen therapeutischen Beziehung bewältigen und verändern zu können.
„Games people play“(E. Berne)
In der Therapie werden vielfältige Rollenerwartungen an die TherapeutInnen gestellt. Diese werden von den PatientInnen, aber auch von der Gesellschaft und ihren Institutionen geprägt. Erwartungen werden nicht nur explizit formuliert, sondern sie entwickeln sich oft unbewusst in Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen. Je nach Blickwinkel und Bedürfnis können sich dabei Rollenerwartungen ergeben wie: HelferIn, ExpertIn, KrisenmanagerIn, Mutter, Vater, FreundIn, Kumpel, Vorbild, Mann, Frau, ErlöserIn, BündnispartnerIn, LehrerIn, MeisteInr, ErzieherIn, MithelfeIn, MitstreiterIn, Lernende, Verwalter, Kontrolleur, Imagepflegerin, KlientenwerberIn, KostenverwalterIn, BuchhalterIn, ÖkonomIn, DokumentarIn oder RichterIn. Um diesen Rollenerwartungen zu genügen benötigen TherapeutInnen enorme Flexibilität und Verwandlungskunst.
Vor dem Hintergrund ihrer Theorien und Konzepte verwenden TherapeutInnen verschiedene Sprach- und Wortspiele und arbeiten mit Unterschieden, Kräften, Energien, Ressourcen und Widerständen. Dabei nutzen sie, je nach ihrer Tradition, Rollenspiele, psychodramatische Darstellungen, Familienskulpturen, Körperaufstellungen im Raum, Bewegungsvariationen, Schritte, Schwerkraft, Leichtsinn, Mut, Sinnlichkeit, Rhythmus, Resonanz, Bilder, Metaphern oder andere Künste des Heilens.
Das diesjährige Seminar „Leib oder Leben“ bietet Arbeitsgruppen und Vorträge, welche sich den praktischen und spielerischen Erfahrungen von Körperwahrnehmung, Achtsamkeit , Gewahrsein, Präsenzerleben, Bewegungskompetenz, Ausdrucksfähigkeit, Flexibilität und Lebensfreude widmen.
Der Schwerpunkt „Im Spiel“ soll erstarrte Vorstellungen von Psychotherapie in Bewegung bringen. Leichtigkeit, Neugierde für überraschende Bewegungen, Lebenslust, Mut zum Risiko, Arbeit mit Vorstellungen auf inneren und äußeren Bühnen, Erfinden, Entdecken, Gewinnen und Verlieren. Dies alles gehört zur Therapie, die ihre Wurzeln im Spiel erkennt und nutzt.
„Leute hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden, sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen!“ ( O.W. Holmes)
„Das Schicksal mischt die Karten und wir spielen." (F. Schopenhauer)
Helmut Milz

   

 

 

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