LEIB ODER LEBEN
17. Internationales Seminar für
körperbezogene Psychotherapie, Körpertherapie
und Körperkunst
BAD GLEICHENBERG, 1. bis 6. Mai 2011
begreifen-berühren. Übergänge

 


EDITORIAL

begreifen-berühren.Übergänge

 

Langsam über eine Oberfläche streichen. Material spüren.
Hingreifen. Angreifen.
Ich begreife langsam. Ich berühre Dich, es berührt mich.


 

 

 

 

 

 

Im heuer zum 17. Mal stattfindenden Internationalen Seminar für Körperorientierte Psychotherapie, Körpertherapie und Körperkunst geht es vor allem um das Haptische, das Taktile, also die Sinnesqualität des Fühlens und Spürens.

„Ich fühle also bin ich“
hören wir Antonio Damasio.

Ich spüre, also begreife?
Ich berühre
Es berührt
Ich greife und begreife
Übergänge
eine Veränderung
Von hier nach da
Von da nach dort
Das Begriffene geht über in einen Begriff
Gleichzeitig
ein langsamer Übergang
oder ein schneller ?
ein plötzlicher Übergang? Trennung? Chaos?
Begreifen und berühren hat mit Ästhetik zu tun, mit Fragen der Aisthesis im ursprünglichen Sinn, als Empfindung und gegenstandsbezogene Wahrnehmung.
„Die Wahrnehmung im Sinne der aisthetischen Empfindung hat einen hedonistischen, subjektiven, lust- und gefühlsbetonten Charakter. Als gegenstandsbezogene Wahrnehmung hat ,aisthesis‘ eher einen erkenntnishaften Charakter“, so Isabelle Frohne-Hagemann in „Fenster zur Musiktherapie“.
Das ästhetisch Empfundene und Wahrgenommene haftet den Gegenständen nicht an, es entwickelt sich erst in der Beziehung zum Subjekt.

begreifen
berühren
Übergänge?
Vom Begreifen zum Begriff?
Vom Berühren zur Rührung?
Zum Gerührtsein? Berührtwerden?
Vom Haptischen zum Kognitiven?

Sind wir also als mit allen Sinnen wahr-nehmende Subjekte in die Welt gebeutelt?
Begreifen wir? Lassen wir uns berühren?

begreifen. berühren. Übergänge

Wir spielen. Mit Worten. Mit Berührungen. Mit Begriffen.
Mit der Sprache.
Und ohne Sprache.

Das Seminar als Schnittfeld. Die Tagung als Ort des intersdisziplinären Austausches, als Zusammentreffen von Wissenschaft und Kunst, Körper und Therapie, Sprache und Nichtsprache.
Über den Tastsinn, also die haptische Sinnesqualität, die aus den taktilen, so wie Schmerz- Berührungs- und Temperaturempfindungen gleichermaßen besteht, mit seinen Tastkörperchen, Verschaltungen und Bahnungen und der dann dazugehörigen Wahr-Nehmung im Gehirn, über das Spüren, das Berühren, das Er- und Begreifen machen wir unsere ersten Erfahrungen mit der Welt.
Schon im Mutterleib spürt das noch Ungeborene, sammelt Eindrücke, speichert Erfahrungen im Leib- Gedächtnis. Die Entwicklung unseres Gehirns, ein lebenslanger Weg, ein lebenslanges Verändern, Neugestalten, Neuprogrammieren.

Unser Geist, über den derzeit wieder heftig diskutiert wird, ob er das Gehirn ist, wie auch Felix Tretter und Christine Grünhut in ihrem Buch „Grundfragen der Neurophilosophie“ thematisieren, versucht zu begreifen. Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften im ewigen Diskurs, und auch Goethes Faust hört:
„Du gleichst dem Geist den du begreifst“.

Das Greifen und die Berührung lösen also eine Empfindung aus, die dann in einem bestimmten Hirnbereich wahrgenommen, gespeichert wird, und in einem anderen Hirnareal benannt wird, so nennen wir das Wahrgenommene dann Gefühl. Also vom Tasten, Berühren, Greifen, zum Berührtsein, zum Begriff der Rührung, der sich dann formt, sprachlich formt, kommunizier- und diskutierbar ist, geteilt und mitgeteilt werden kann, oder auch nicht.

„haben ist trennung
teilen ist sein: ich bin durch
dich wie du durch mich“

so Gunter Falk in einem seiner Haikus zu den „3 Jahreszeiten“.

Also will Berührung auch geteilt sein, gemeinsames Spüren, geteiltes, mitgeteiltes, und gemeinsame Sprache, vielleicht Begriffe finden für all das Berühren und Berührtsein, das Begreifen und Ergriffensein, das wir haben und brauchen und wollen, im Alltagsleben, auf der Gleichenberg-Insel oder in den Spielräumen der Therapie.

Also wie nennen wir das dann, was wir begriffen haben? Was uns berührt hat? Was bedeutet eine neue Erfahrung mit einer neuen Methode, eine Intervention, die sich in unserem Körper speichert, die unseren Körper beseelt, belebt, begeistert, die wir uns einverleiben?

Vielleicht Neugier? Vielleicht Lust?
Vielleicht Wut? Vielleicht Freude? Vielleicht Trauer? Oder?

Und dann?
In der Therapiesituation? Also in der Begleitung von Menschen, PatientInnen, KlientInnen? Also, wenn wir ein Stück gehen, gemeinsam, mit und ohne Sprache, vielleicht dann auch mit Tanz? Oder mit Musik? Oder mit Körperinterventionen? Oder mit Übungen aus den Kampfkünsten?

Und dann: das Gelernte, Erfahrene, Begriffene, Gespürte weiterführen?

Also im Konsens oder im Dissens mit anderen vielleicht weitere Begriffe finden für das, was uns berührt. Und gemeinsam begreifen, ergreifen, angreifen, berühren. Und je nachdem, aus welcher theoretischen Heimat und welcher therapeutischen Sprache wir kommen, wird es Übergänge geben, zeitliche, räumliche, in Sprachliches, und Nichtsprachliches … neue Konzepte, neue Ideen …

Darum ungefähr wird es gehen.

Monika Glawischnig-Goschnik




   

 

 

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