LEIB ODER LEBEN
10. Internationales Seminar für
körperbezogene Psychotherapie und Körpertherapie

BAD GLEICHENBERG, 25. bis 30.April 2004

 

 

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Spuren der Liebe

Editorial

 

Wer Liebe sucht, sucht auf den Spuren der ersten großen Liebe in den Armen der Mutter, sucht auf den Spuren biologischer Botschaften aus den Triebquellen im Inneren seines Körpers.
Eros, der Motor dieser Suche, sei ein Dämon, meinte Sokrates. Ein gefährlicher Dämon, der, bewaffnet mit Fortpflanzungsinstinkten, Hormonen und infantilen Fixierungen auf die Jagd geht. Auf die Jagd nach Sex mit schönen Körpern, nach Liebe zu schönen Seelen, ja, letztlich nach unsterblicher Weisheit, treibt er die Verliebten über die engen Grenzen ihrer Ichinteressen hinaus in zeitlosen Liebestaumel. In diesem verliebten Zustand suchen sie nach Vereinigung, ursprünglich mit Mutter und Vater, später mit ihren Liebespartnern und zuletzt mit der Mutter Erde, die sie wieder aufnimmt, wie S. Freud (1913) sinngemäß ausführte.
Im ekstatischen Zustand der Liebe zerbrechen individuelle Beschränkungen, die Verliebten fühlen sich mit den Kräften der Natur verbunden. Orpheus, der verliebte thrakische Sänger oder Madschnun, der bis zum Wahnsinn verliebte Beduine sprechen mit den Tieren, die keine Scheu mehr vor ihnen zeigen. Kein Wunder, dass fast alle großen Liebespaare der Kulturgeschichte wie Romeo und Julia, Hero und Leander oder Leila und Madschnun an der gesellschaftlichen Ordnung scheitern. Innerlich, weil ihr brennendes Herz sich vom kühlen Verstand trennt, äußerlich, weil sie wie betrunkene Schmetterlinge immer wieder in die neidigen Netze der sozialen Gemeinschaft flattern.
Diese Krisen werden oft von sozialen und psychischen Krisen sowie den damit verknüpften Ängsten begleitet. Eine häufige, leider neurotische Bewältigungsstrategie ist die Abspaltung körperlicher Lust von psychischer Liebe. Körperpsychotherapeutische Selbsterfahrung lässt uns erleben, dass der Baum der Liebe, mit all seinen spirituellen Verzweigungen, letztlich doch immer im biologisch gut gedüngten Erdreich sexueller Wünsche wurzelt. Durch dieses Erlebnis können viele Spaltungen und Blockierungen des Energieflusses zwischen nur scheinbar gegensätzlichen Erscheinungsformen der Liebe aufgehoben werden.
Neues Leben erzeugt die Natur bekanntlich durch Liebesaktivitäten. Verleugnet eine Kultur dieses Faktum und vermittelt den Mitgliedern ihrer Gesellschaft liebesfeindliche Wertvorstellungen, so beginnt sie nach Verwesung zu riechen. Wer in sich die Energie der Liebe erstickt, verliert auch seine Lebenskraft.
Es ist hoffentlich klar, dass die hier in metaphorischer Sprache skizzierten Zusammenhänge von Liebe, Sex und Kultur sich genausogut in biologischer oder psychologischer Terminologie ausdrücken lassen. Wir kennen aber auch eine Sprache der Bewegung, der Gebärden, Mienen und vegetativen Reaktionen, eine Sprache, die man in allen sozialen Schichten und allen Ländern dieser Erde versteht. Diese Sprache ist die eigentliche Muttersprache der Liebe. Deutlich lesbar sind ihre Spuren in unsere Körper eingeschrieben.
Ein Ziel des Gleichenberger Seminars 2004 ist es, die mit der Liebe notwendig verknüpften Konflikte in dieser Körpersprache zu entziffern, darzustellen, alte Wunden und Narben zu lindern und nach neuen Lösungsvarianten zu suchen.

Rainer Danzinger

   

 

 

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