Kleine Schule des Genießens *+
Rasch wird Verhaltenstherapie mit Kontrolle, Konfrontation,
Verhinderung von Vermeidung, ja mit Askese, bestenfalls mit einer
strukturierten Verabreichung von Verstärkern in Verbindung
gesetzt. Heiterkeit, Kreativität, Genuss oder gar Sinnlichkeit
gehören nicht zu den spontanen Assoziationen. Diesem Vorurteil
kann mit der Kleinen Schule des Genießens entgegengewirkt
werden. Sie stellt einen ressourcenorientierten verhaltenstherapeutischen
Behandlungsansatz dar, der in den vergangenen Jahren vielerorts
Eingang in die ambulante und stationäre psychotherapeutische
Versorgung gefunden hat und inzwischen auch als Buch vorliegt.
Allen Therapieschulen ist ein übergeordnetes
Therapieziel gemeinsam: die Befähigung zu positivem Erleben
und Handeln. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass uns
entsprechende Fähigkeiten zur Verfügung stehen, wenn eine
Krankheit erfolgreich behandelt wurde. Die Kleine Schule des Genießens
geht einen anderen Weg: sie postuliert, dass die Eigenschaften „gesund“
und „krank“ nicht Extreme auf einem Kontinuum darstellen,
sondern in einer komplexeren Beziehung zueinander stehen. Es muss
deshalb möglich sein, unabhängig von der jeweiligen Symptomatik,
angenehmes und genussvolles Empfinden zu fördern und dadurch
die Pathologie positiv zu beeinflussen.
Bei der Kleinen Schule des Genießens handelt
es sich um ein halbstandardisiertes, gruppentherapeutisches, evaluiertes
Behandlungsangebot, das im Rahmen von zehn Sitzungen eine Sensibilisierung
unserer fünf Sinne für positives Erleben und Handeln vermittelt.
Da es sich um ein symptomunspezifisches Vorgehen
handelt, kann es bei verschiedenen Krankheitsbildern (Depressionen,
Essstörungen, Zwangserkrankungen, Schmerzsyndromen, Tinnitus,
Borderline-Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen,
chronischen Schizophrenien etc.) Anwendung finden. Unabhängig
davon stellt die Fähigkeit zu genießen eine grundlegende
Kompetenz dar, das Leben zu meistern: eine Kompetenz, von der durchaus
auch Therapeuten profitieren können.
In diesem Seminar wird im Rahmen von ausgewählten
Übungen aus diesem Programm zur Schärfung der eigenen
Sinne und zur Aktualisierung angenehmer Vorerfahrungen – orientiert
an bestimmten Genussregeln - der spezifische Umgang mit genussfördernden
Materialien dargestellt und in kurzen Übungen exemplarisch
in Selbsterprobung verdeutlicht. Mit den anderen Seminarteilnehmern
können ähnliche, aber auch unterschiedliche Erfahrungen
ausgetauscht und weiterführende Anregungen aufgegriffen werden.
Eva Koppenhöfer-Lorenzen,
Jahrgang 1948, ist Verhaltenstherapeutin, seit 1984 eigene Praxis,
Lehrtherapeutin an verschiedenen staatlich anerkannten Ausbildungsinstituten
für Verhaltenstherapie, Supervisorin, leitende Psychologin
der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim, Lehrbeauftragte
an der Universität Mannheim, seit 2001 Dozentin für Verhaltenstherapie
an verschiedenen Universitäten in China. Sie lebt mit Ehemann
und drei Kindern in der Nähe von Heidelberg..
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