Liebe Gleichenberger:innen, liebe Freund:innen, liebe Teilnehmer:innen,
herzlich willkommen zur diesjährigen Tagung Leib oder Leben in Bad Gleichenberg – heuer unter dem Thema „die schöpferische Kraft des Mangels“.
In einer Welt, die scheinbar alles bietet – Information im Überfluss, dauernde Verfügbarkeit, unendliche Möglichkeiten –, wird das Erleben von Abwesenheit, der Moment der Unverfügbarkeit zu einer seltenen, fast irritierenden Erfahrung. Vieles ist jederzeit erreichbar: Wissen, Kontakte, Bilder, Möglichkeiten, Antworten. Und doch empfinden viele eine zunehmende Erschöpfung, eine Leere hinter der Fülle. Die Zeit, in der wir leben, stellt uns nicht nur vor globale Herausforderungen, sie fordert uns auch individuell heraus: Wie gehen wir mit Unverfügbarkeit, mit Lücken, mit dem „Noch-nicht“, dem „Nicht-mehr“ und dem „Nicht-Haben-Können“ um?
Gerade darin liegt ein fruchtbarer Boden – für Kreativität, für Entwicklung, für Beziehung: im Mangel als schöpferischer Kraft: Diese Perspektive zieht sich wie ein stiller Faden durch viele unserer bisherigen Tagungen. Immer wieder ging es darum, in Unsicherheit Haltung zu finden, im Chaos auf Resonanz zu lauschen, aus dem Unvollständigen etwas Lebendiges wachsen zu lassen.
Auch in der therapeutischen Arbeit begegnen wir diesen Spannungsfeldern. Was geschieht, wenn wir das Unfertige nicht als Defizit deuten, sondern als Impuls zur Bewegung? Wenn Leere nicht als Störung gilt, sondern als Einladung? Viele Zugänge in Therapie, Beratung und Körperarbeit gründen auf genau diesem Gedanken: Dass Entwicklung dort geschieht, wo etwas offenbleibt. Wo nicht sofort gefüllt, korrigiert oder optimiert wird, sondern wo wir innehalten, lauschen, warten, spüren.
Leib oder Leben 2026 möchte Raum geben für dieses Innehalten. In Vorträgen, Workshops und Gesprächen erforschen wir, wie gerade das, was fehlt, neue Perspektiven eröffnen kann. Wie Mangel nicht nur schmerzlich spürbar wird oder eine Grenze markiert, sondern auch eine Tür öffnet: zu Sehnsucht, Resonanz und innerer Bewegung.
Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns einen Raum zu betreten, in dem aus dem Unverfügbaren Neues erwachsen darf. Einen Raum, in dem Mangel nicht Verzicht bedeutet, sondern Ursprung.
Jolana Wagner Skacel & Peter Geißler